Kultur

Neuausrichtung am Staatstheater Kassel

Inspirierende und spannende Pläne


(Quelle: Marina Sturm)
Florian Lutz
(Quelle: Mario Graß)
GDN - Nach 17 Jahren erfolgreicher Intendanz von Thomas Bockelmann steht am Staatstheater Kassel ein Intendanzwechsel und eine künstlerische Neuausrichtung bevor. Der designierte Intendant Florian Lutz und die künftigen Spartenleiter*innen stellten im Rahmen einer Pressekonferenz ihre Konzeption vor.
Im Rahmen einer Pressekonferenz am 10. März hat der designierte Intendant Florian Lutz, der im August 2021 die Nachfolge von Thomas Bockelmann antreten wird, die zukünftige künstlerische Leitung des Staatstheaters Kassel vorgestellt und mit dieser die Konzeption der einzelnen Sparten erläutert. Ein Schwerpunkt der Neuausrichtung ist ein breites Angebot an partizipativen Projekten, in denen das Publikum zum Teil des künstlerischen Ergebnisses wird; daneben sind Produktionen an ungewohnten Orten außerhalb der angestammten Theaterräume geplant sowie spartenübergreifendes Arbeiten, darunter ein großes interdisziplinäres Projekt anlässlich der documenta 15.
Francesco Angelico
Quelle: Mario Graß
Florian Lutz wird gemeinsam mit Generalmusikdirektor Francesco Angelico die Oper künstlerisch verantworten. Sie leiten die Sparte gemeinsam im Team mit Kornelius Paede (Chefdramaturg Musiktheater) und Ann-Kathrin Franke (künstlerische Produktionsleiterin), die bereits in Halle mit Florian Lutz zusammengearbeitet haben. Die neue Opernleitung steht für ein “Theater des Erlebnisses“, das in neuen Raum-Anordnungen und Bühnen-Konstellationen darauf zielt, über die vielen bereits vorhandenen Musik- und Opern-begeisterten Zuschauer*innen hinaus neue und möglichst auch jüngere Menschen für das Musiktheater begeistern zu können.
Kornelius Paede nannte als Schwerpunkte für die kommenden Jahre: Das Repertoire des 19. und 20. Jahrhunderts mit seinen großen Opern, die mit einer zeitgenössischen Regiehandschrift in Kassel präsentiert werden sollen. Zudem besteht der Wunsch mittels partizipativer Projekte die Bürger*innen Kassels in die Produktionen einzubinden. Angelico kündigte in dem Zusammenhang an, dass in der kommenden Spielzeit die Aufführung des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach geplant sei und Bürger*innen der Stadt Kassel bei der Produktion involviert werden sollen. Besonders am Herzen liegen der künstlerischen Leitung zeitgenössische Komponist*innen, weshalb künftig während jeder Spielzeit eine Uraufführung in Kassel zu erleben sein wird.
Die designierte Schauspieldirektorin Patricia Nickel-Dönicke, die zugleich auch Chefdramaturgin der Sparte wird, steht für die kontinuierliche Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Autor*innen sowie die Einbindung zeitgenössischer Texte und Themen in den Spielplan. Mit ihrem Team wird Nickel-Dönicke in verschiedensten Produktionen und Vermittlungsformaten das Profil des Schauspiels klar politisch positionieren. Dabei setzt sie ebenso auf eine Vielfalt künstlerischer Handschriften wie auf neue Erzählformen und neue Perspektiven auf Klassiker wie auf interdisziplinäre Performances und Reihen als Begegnungsmöglichkeiten mit dem Publikum.
Das 18-köpfige Schauspielensemble wird sich zukünftig - mit jeweils neun Schauspielern und Schauspielerinnen - paritätisch zusammensetzen und somit neue Sehgewohnheiten evozieren.
Auch das Schauspiel hat sich zum Ziel gesetzt, mit der Stadt Kassel und seinen Bürger*innen in den Dialog zu treten. Ein Beispiel hierfür ist die geplante Uraufführung von Michel Decars “Tausend deutsche Diskotheken“, die im Serienformat und in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Stadt Kassel dem Clubsterben begegnen wird.
Darüber hinaus sind mehrere Festivals geplant: Das mit zeitgenössischer Dramatik angereicherte Festival FAST“™N“™DRAMADAN macht das Theater während des Ramadans zum sozialen Treffpunkt, der interkulturellen Austausch ermöglichen wird. Ende Mai 2022 verwandelt das transdisziplinäre Festival “INBETWEEN - Theater zwischen Vorstellung und Ausstellung“ die Räume des Theaters während eines Wochenendes zu Ausstellungs- und Performanceorten zwischen darstellender und bildender Kunst auf der Suche nach einer Vision für die Zukunft des Theaters.
In der Tanzsparte kehrt mit dem designierten Tanzdirektor Thorsten Teubl ein ausgewiesener Tanzexperte an das Staatstheater Kassel zurück, der bereits von 2009 bis 2018 als Dramaturg und stellvertretender Tanzdirektor maßgeblich am Aufbau und der Ausrichtung der Sparte beteiligt war. Spürbar motiviert und erfreut, an seine alte Wirkungsstätte zurückzukehren, betonte Thorsten Teubl die Wertschätzung gegenüber seinem Vorgänger Johannes Wieland, machte aber ebenso deutlich, einen neuen Weg beschreiten zu wollen, indem sich der Tanz in Kassel künftig als kuratorisches Modell ohne Stammchoreograf*in präsentieren wird.
Thorsten Teubl hat es sich zum Ziel gesetzt, die internationale Vielfalt des Tanzes und die maximale Bandbreite choreografischer Handschriften, Stilistiken und Ästhetiken in den drei Spielstätten Opernhaus, Schauspielhaus und TiF zu präsentieren. Bereits in der ersten Spielzeit wird es sieben Uraufführungen von sieben unterschiedlichen Choreografen*innen geben. Darüber hinaus sollen gemeinsam mit dem Schauspiel, dem Musiktheater und dem JUST+ spartenübergreifende Projekte realisiert werden.
Unter der Leitung von Barbara Frazier heißt das Junge Staatstheater künftig JUST +, wobei das hinzugefügte Pluszeichen für die Öffnung des Hauses steht. Die Zusammenarbeit mit den Menschen aus Kassel und seiner Umgebung sowie das “Hinausgehen in die Stadt“ ist ein zentrales Anliegen dieser Sparte. Der Spielplan des JUST + wird Produktionen aus allen Sparten umfassen und darstellende Kunst in allen Facetten vermitteln und präsentieren - und dies für die Jüngsten - eine Produktion für Kinder ab 2 Jahren ist geplant - ebenso wie für die Ältesten im Publikum. Selbstverständlich wird nach einem coronabedingt schwierigen Jahr die Zusammenarbeit mit Schulen wiederaufgenommen und intensiviert werden.
Abschließend betonte Florian Lutz, dass die geplanten Projekte auf mögliche Kontaktbeschränkungen und Hygienemaßnahmen abgestimmt sind und sich auch unter einschränkenden Bedingungen - einen vollständigen Lockdown ausgenommen - realisieren lassen.
Das künstlerische Leitungsteam wirkt leidenschaftlich, inspiriert und inspirierend. Die Pläne mit ihren kooperativen, spartenübergreifenden, ortsspezifischen und partizipativen Arbeitsweisen klingen vielversprechend und zeitgemäß, sodass sich die Menschen in und um Kassel auf eine spannende und überraschende Zukunft im Staatstheater freuen dürfen.
Für den Artikel ist der Verfasser verantwortlich, dem auch das Urheberrecht obliegt. Redaktionelle Inhalte von GDN können auf anderen Webseiten zitiert werden, wenn das Zitat maximal 5% des Gesamt-Textes ausmacht, als solches gekennzeichnet ist und die Quelle benannt (verlinkt) wird.