Kultur

“Hot Stuff“ im Opernhaus

Kassel im Discofieber


(Quelle: N.Klinger)
GDN - Das Staatstheater Kassel hat zu “Disco in Concert“ geladen und das Opernhaus in einen vibrierenden Tanzclub verwandelt. Die Discokugel über der Bühne funkelte dabei ebenso wie die Pailletten auf den Kleidern der Backgroundsängerinnen oder die Schweißperlen auf der Stirn meiner Sitznachbarin.
Gleich zu Beginn des Abends schwor Moderatorin Insa Pijanka die Zuschauer im ausverkauften Kasseler Opernhaus ein: Es darf getanzt werden! In der Tat sorgte das bravourös aufspielende Staatsorchester, unter der Leitung von Rasmus Baumann, gemeinsam mit einer äußerst spielfreudigen Band sowie facettenreichen Sängerinnen und Sängern in den folgenden Stunden für Tanzlaune beim begeisterten Publikum, denn die Musik, die in den 1970er Jahre die junge Generation überall auf der Welt auf die Tanzflächen lockte, verfehlt auch heute ihre Wirkung nicht.
Nachdem sich das Kasseler Staatstheater in der Vergangenheit bereits an Abba, Queen und den Swing gewagt hat, widmet es sich in dieser Spielzeit der bunten Epoche der Discomusik. Erneut gelang es den Verantwortlichen eine großartige Show auf die Beine zu stellen. Ein stimmiges Design, glamouröse Kostüme und vor allem großartige Musiker sorgten für beste Unterhaltung.
Judith Lefeber
Quelle: N. Klinger
Henrik Wager, dem Kasseler Publikum mittlerweile durch zahlreiche großartige Auftritte in den vergangenen Spielzeiten bekannt, eröffnete mit “Disco Inferno“ den Abend und konnte stimmlich sogleich überzeugen. Nach und nach erhöhten die Musiker auf der Bühne das Tempo. Als dann die ersten Takte von Donna Summers “Hot Stuff“, gesungen von der wunderbaren Judith Lefeber, durch das Opernhaus tönten, hielt es die ersten Zuschauer bereits nicht mehr auf ihren Sitzen. Es folgte der, für diesen Anlass unvermeidliche, Bee Gees-Block, bei dem erneut vor allem Henrik Wager, der auch die höchsten Töne mit einer beeindruckenden Leichtigkeit erreichte, zu begeistern wusste.
Henrik Wager und Joyce van de Pol
Quelle: N. Klinger
Geradezu stürmischer Jubel brandete zum Ende eines furiosen “You should be dancing“ auf. Die unmissverständliche Aufforderung dieses Songs nahm sich das Publikum nun endgültig zu Herzen. Bei den ersten Takten von “Brown Girl in the Ring“ hielt es nahezu niemanden mehr auf seinem Sitz. Einzig meine Sitznachbarin behielt Platz, was ihr angesichts ihres Alters von sicherlich mehr als 70 Jahren sowie ihrer beachtlichen Körperfülle durchaus nachgesehen werden konnte. Dem Gute-Laune-Sound, der sich von der Bühne aus im Saal verbreitete, konnte aber auch sie sich nicht entziehen und klatschte zu Klassikern wie “Sunny“ oder “Rasputin“ begeistert mit.
Das Staatsorchester Kassel und Band
Quelle: N. Klinger
Zu Beginn des zweiten Teils ertönten scheinbar gewohnte Klänge durch das Kasseler Opernhaus: Beethovens 5.Sinfonie. Doch an diesem Abend kam selbst Beethoven, in der Discoversion von Walter Murphy, bei der die beteiligten Musiker ihr Können und ihre Bandbreite eindrucksvoll unter Beweis stellen konnten, funky daher, was nicht nur meine Nachbarin mit frenetischem Applaus und Bravo-Rufen quittierte.
T. Henkelmann, J. Neumeister und J. Caspari
Quelle: N. Klinger
Songs von Gloria Gaynor oder den Commodores begeisterten in der folgenden Stunde das mittlerweile wieder komplett stehende Publikum und als Gitarrist Thorsten Drücker das Tempo unwiderstehlich in die Höhe trieb, und zu “Celebration“ von Kool & the Gang überleitete, hielt es auch meine Nachbarin nicht mehr auf ihrem Sitz. Ein junges Paar lebte mittlerweile unmittelbar vor der Bühne seinen Bewegungsdrang aus, doch - wie ich im Augenwinkel beobachten konnte - steckt auch in einem mehr als 70jähigen Körper, den meine Nachbarin verzückt rhythmisch zu wiegen begann, noch eine Menge Musikalität.
Joyce van de Pol
Quelle: N. Klinger
Die zum Mitsingen einladenden Lieder der Village People, läuteten schließlich das Finale ein. “Y.M.C.A.“, einer der erfolgreichsten Songs der Band, wurde dem sichtlich vergnügten Publikum als Zugabe gleich ein zweites Mal präsentiert. Einem Teil der Zuschauer war möglicherweise gar nicht bewusst, dass eine Hymne auf die Vielfältigkeit des Menschen und seine sexuelle Freiheit, ihre Laune so sehr in die Höhe getrieben hat. Der ursprüngliche subkulturelle Hintergrund der Discoepoche ist vielleicht ein Aspekt, der an diesem Abend zu wenig Beachtung gefunden hat.
Die Discokultur ist ohne das gestärkte Selbstbewusstsein gesellschaftlicher Randgruppen, die sich nicht mehr länger für ihre Andersartigkeit schämen, sondern sie als Bereicherung unseres Dasein verstehen wollten, nicht denkbar. So kann man die Discowelt auch als einen “abgeschotteten Planeten der Toleranz“ (Manfred Prescher) verstehen, bei dem Hautfarbe, sexuelle Orientierung und Alltagsidentität keine Rolle spielten. Der gemeinsame Nenner war der Spaß am Tanz.
H. Wager, J. van de Pol, J. Lefeber und D. LeGree
Quelle: N. Klinger
Als das Publikum die Musiker, nach drei Stunden und zahlreichen Zugaben, mit frenetischem Applaus verabschiedete, blickte ich ringsum in sichtlich zufriedene Mienen und auch meine - noch immer stehende und klatschende - Sitznachbarin, strahlte glücklich über das ganze Gesicht. Das Staatstheater Kassel bietet seinem Publikum mit “Disco in Concert“ einen unterhaltsamen Abend, der gute Laune verbreitet und musikalisch gänzlich überzeugen kann. Karten für zukünftige Aufführungen sind an der Kasse des Staatstheaters Kassel (Tel: 0561/1094-222) oder online unter www.staatstheater-kassel.de erhältlich.

weitere Informationen: https://www.staatstheater-kassel.de

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