Musik

Max Raabe gastiert mit seinem Soloprogramm in Göttingen

“Wenn der Wind weht über das Meer“


(Quelle: Mario Graß)
GDN - Bevor er ab der kommenden Woche wieder mit seinem Palast Orchester auf deutschen Bühnen stehen wird, gibt Max Raabe einige wenige Solokonzerte. Am Donnerstagabend gastierte er, mit einem leisen, intimen Programm, in der Stadthalle Göttingen.
Quelle: Mario Graß
“Ich mag den ja nicht“, bekundet ein älterer Herr, begleitet von einer verächtlichen, resignierten Handbewegung, noch vor Konzertbeginn. “Wink doch nicht immer so ab“, höre ich seine Frau beruhigend auf ihn einwirken. “Wenn du ihn erst mal gesehen hast, wirst du begeistert sein.“ “Hauptsache es ist nicht so laut wie beim Phantom der Oper.“ Dieser Wunsch dürfte sich in jedem Fall erfüllt haben, denn Max Raabe bedient sich, bei seinem Auftritt in der Göttinger Stadthalle, vorzugsweise der leisen Töne.
Quelle: Mario Graß
Als der ausgebildete Opernsänger, ohne eine Miene zu verziehen, mit Lackschuhen, Frack und reichlich Pomade im Haar, auf die Bühne tritt, erscheint er wie eine Figur aus längst vergangener Zeit. Im gedämpften Bühnenlicht, und musikalisch ausschließlich von seinem Pianisten Christoph Israel, der den Liedern durch sein nuanciertes Spiel, die angemessene Atmosphäre verleiht, begleitet, präsentiert Max Raabe ein äußerst melancholisches Programm. Unter dem Titel “Über´s Meer“ bietet er dem Publikum, in der gut gefüllten, wenn auch nicht ausverkauften, Stadthalle, Lieder voller Sehnsucht und Fernweh, dar.
Quelle: Mario Graß
Das Meer gilt seit ewigen Zeiten als romantisches Sinnbild für Sehnsucht, Abschied und Fernweh. Doch immer wieder versteht es Max Raabe, den Liedern auch eine ungeheure Leichtigkeit zu verleihen und so sorgen Stücke wie Max Hansens “Ach Luise“ oder “Sag nicht Du zu mir“, von Austin Egen und Fritz Rotter, für Heiterkeit. Das amüsante “Sag ich blau sagt sie grün“, erhält durch einen Texthänger, vom sonst so perfekten Max Raabe, eine zusätzliche humoristische Note. Die verwirrenden Worte vom Texter Max Hansen kommentiert der Sänger sympathisch und souverän: “Das soll sich auch einer merken“¦“. Beim höchst frivolen “Weißt Du was Du kannst“ beeindruckt nicht nur Raabes klare Baritonstimme, sondern auch seine Pfeif-Fertigkeit.
Quelle: Mario Graß
Gelegentlich überbrückt der Sänger einzelne Lieder mit launigen Bemerkungen, die konsequent der Zeit der präsentierten Melodien entstammen. So erklärt er den Unterschied zwischen einem Eintänzer, einer Berufsgruppe der 1920er und 1930er Jahre, deren Aufgabe darin bestand, bei gesellschaftlichen Veranstaltungen weibliche Gäste zum Tanz aufzufordern, und einem Gigolo: “Der Eintänzer tanzt nur - der Gigolo tanzt auch.“ In der Regel gibt Max Raabe aber lediglich - geradezu stoisch - die Komponisten und Texter des folgenden Beitrages an und bringt damit auch seinen Respekt diesen gegenüber zum Ausdruck.
Die dargebotenen Stücke entstammen mehrheitlich der Zeit der Weimarer Republik. Der überwiegende Teil der vorgestellten Komponisten, wie Fritz Rotter, Robert Gilbert, Walter Reisch und Werner Richard Heymann, waren jüdischer Herkunft und sahen sich damals gezwungen, in die USA zu emigrieren. Damit erhalten sowohl der Titel des Programms (“Über´s Meer“), als auch die Themen Abschied und Heimweh, eine gänzlich andere Bedeutsamkeit.
Quelle: Mario Graß
Max Raabe hält das Andenken an diese verschwundene Kultur, die auch an furchtbare Zeiten der deutschen Vergangenheit erinnert, subtil und nicht marktschreierisch, wach. Ich frage mich wie viele der Zuschauer von diesem Zusammenhang wissen. “Wenn der Wind weht über das Meer, trägt er mein Lied in die Heimat“, singt Max Raabe auf der Bühne. Es wäre wichtig, dass es alle wissen!
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