Vermischtes
Der Christopher Street Day
Erinnerung an ein historisches Ereignis
(Quelle: Mario Graß)
GDN -
Am Wochenende gingen in Dortmund etwa 250 Menschen auf die Straße, um für die Rechte von Homosexuellen und Transsexuellen zu demonstrieren. Die alljährlichen, unter dem Namen “Christopher Street Day“ bekannten, Demonstrationen erinnern an ein Ereignis, das sich einst in New York zugetragen hat.
Als sich am vergangenen Samstagnachmittag der farbenfrohe Demonstrationszug am Dortmunder Hauptbahnhof in Bewegung setzte, war wohl nur wenigen Teilnehmern bewusst, dass sie beim alljährlichen Christopher Street Day an ein historisches Ereignis erinnern, das sich am 28.Juli 1969 in der Christopher Street, im New Yorker Stadtteil Greenwich Village, zugetragen hat. Als sich in der Szenekneipe “Stonewall Inn“ Homosexuelle und Transsexuelle erstmals gegen die damals gängige Polizeiwillkür erfolgreich zur Wehr setzten, erfuhr die Befreiungsbewegung und das Selbstverständnis dieser Gruppen einen entscheidenden Wendepunkt.
Wenngleich unsere Gesellschaft auch heute noch weit entfernt ist von der völligen Gleichberechtigung und Gleichstellung sexueller Minderheiten, so hat sich doch in den vergangenen Jahrzehnten manches in die richtige Richtung verändert. Ende der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurden diese Gruppen juristisch sowie gesellschaftlich noch in einem ganz anderen Maße benachteiligt als dieses heute der Fall ist.
Homosexualität wurde als abnorme Abart der menschlichen Sexualität betrachtet und durfte daher nicht öffentlich zur Schau gestellt werden. Das “Stonewall Inn“ war zu jener Zeit in New York eine bekannte Bar, in der Schwule und Lesben sich allabendlich trafen, um zumindest dort unbehelligt feiern, trinken und tanzen zu können. Dieser Zustand wurde jedoch immer wieder durch willkürliche Polizeirazzien, bei denen die Identität der Besucher festgestellt wurde, gestört. Es kam zu Anklagen wegen anstößigen Verhaltens und wiederholt wurden die Namen von Gästen öffentlich gemacht, mit verheerenden sozialen Folgen für die Betroffenen.
In der Nacht des 28. Juni 1969 kam es erneut zu solch einer Razzia. Das “Stonewall Inn“ war zu dem Zeitpunkt mit etwa 200 Besuchern geradezu überfüllt, da am gleichen Tag Judy Garland, ein Idol vieler Homosexueller, beerdigt wurde. Dieses Ereignis hat zahlreiche Homosexuelle, Transvestiten und Drag Queens in die Stadt gelockt. Immer wieder dröhnte Garlands berühmtester Song “Over the Rainbow“ aus den Boxen. “Somewhere over the rainbow, skies are blue and the dreams that you dare to dream really do come true“, verheißt der Song. Beim Begräbnis am Nachmittag trugen bereits einige Trauernde Regenbogenfahnen als Anspielung auf dieses Lied. Die Regenbogenfahne wurde später zu einem internationalen schwul-lesbischen Symbol.
In dieser Nacht schien man aber noch weit entfernt von dem versprochenen Land “an dem alles besser und gerechter ist“, denn unvermittelt stürmten mehrere Polizisten, ausgerüstet mit Schlagstöcken, das Lokal. Doch die Gäste ließen sich das willkürliche und oftmals brutale Verhalten der Polizei nicht mehr gefallen und setzten sich erstmals zur Wehr.
Stormé DeLarverie, ein weiblicher Transvestit, erinnert sich an die Nacht, in der auch sie Gast im “Stonewall Inn“ war. “Komm schon, Tunte!“, sei sie von einem Polizisten angebrüllt worden, als dieser sie verhaften wollte. Doch sie habe sich der Verhaftung widersetzt, woraufhin der Polizist versuchte habe, sie gewaltsam in die Enge zu treiben. “Instinktiv“, wie sich Stormé erinnert, “schlug ich ihm mitten ins Gesicht.
Die seit Jahren aufgestaute Wut schien sich augenblicklich zu entladen und es entstanden wilde Schlägereien, die sich nach und nach auf die umliegenden Straßen ausweiteten. Die Polizei verstärkte ihre Truppen daraufhin auf etwa 400 Mann, musste aber feststellen, dass die Ereignisse zu einer breiten Solidarisierung der Bevölkerung von Greenwich Village mit den Gästen des “Stonwall Inns“ geführt hatte und deren Zahl mittlerweile auf etwa 2000 angewachsen war. Die Straßenschlachten zogen sich mehrere Tage hin, bis der damalige Bürgermeister John Lindsay die Polizei schließlich abrücken ließ. Die Rufe “Gay Pride“ oder “Gay Power“ hallten noch nächtelang durch die idyllischen Gassen von Greenwich Village.
Die Ereignisse werden bis heute von vielen als Wendepunkt im Kampf um Gleichberechtigung und Anerkennung angesehen, denn zum ersten Mal hatte sich die homosexuelle Gemeinschaft gegen die herrschende Polizeiwillkür gewehrt und das mit großem Erfolg. Diese Tat zeigte Wirkung, die bis in die heutige Zeit anhält. Man war es leid sich heimlich im Verborgenen zu treffen, sondern wollte sich fortan stolz, offen und mit Selbstverständlichkeit zeigen sowie für seine Rechte eintreten.
Zum Jahrestag des Aufstandes fand daher der erste “Gay Pride“-Umzug in New York statt, der seitdem zu einem regelmäßigen Ereignis im Veranstaltungskalender der Stadt geworden ist. Hieraus hat sich rasch eine internationale Tradition entwickelt, sodass auch in deutschen Städten im Sommer Paraden und Demonstrationen für die Rechte von Schwulen, Lesben und Transsexuellen abgehalten werden, die hier, in Erinnerung an die Nächte im Greenwich Village, “Christopher Street Day“ genannt werden.
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