Kultur

Tanzperformance “Strange“ (Stella Zannou) in Berlin

Kurzweilig, klug und voller Selbstironie


(Quelle: Jamesrea.de)
(Quelle: Lena Uphoff)
GDN - Vom 16. - 19. Juni war in einer Wiederaufnahme das Tanzstück “Strange“, eine Choreografie von Stella Zannou, in Berlin (DOCK 11) zu sehen, bei der die Zuschauer einen selbstreferenziellen, selbstironischen und höchst unterhaltsamen Tanzabend erlebten.
v.l.: E.Dolianiti, Y.Fujinami, A.Notas, C.Woolf
Quelle: Jamesrea.de
Der Abend beginnt mit einer launigen, mehrsprachigen Einführung von Alejandro Notas, Emmanouela Dolianiti, Yuya Fujinami sowie Clara Woolf. Diese beinhaltet sowohl Verhaltensregeln als auch einige erste Informationen über die Entstehungsgeschichte des gleich zur Aufführung kommenden Stückes “Strange“. Neben augenzwinkernden Verweisen auf nationale Klischees sowie die Internationalität des zeitgenössischen Tanzes, wird diese Eröffnung für manchen Zuschauer tatsächlichen praktischen Nutzen gehabt haben, denn bereits vor der Aufführung, im Innenhof vor den Türen des Dock 11, wurde angesichts des herrschenden Sprachgewirrs deutlich, dass sich am heutigen Abend ein ausgesprochen internationales Publikum zusammengefunden hat.
Alejandro Notas
Quelle: Jamesrea.de
Anschließend wird der bis zu diesem Zeitpunkt leere Bühnenboden mit allerlei Requisiten versehen. Doch Alejandro Notas, der charmant, scharfzüngig und überaus unterhaltsam durch den weiteren Abend führt, verkündet sogleich, dass die Choreografin Stella Zannou diese ursprüngliche Idee für ein Bühnenbild verworfen habe und nun stattdessen eine leere Bühne bevorzuge.
Lediglich ein Gegenstand, der von einer Zuschauerin ausgewählt wird und von diesem Moment an erhöht und mit einem Spot beleuchtet in der linken Bühnenhälfte thront, verbleibt auf der Bühne. Diesem willkürlich erkorenen Gegenstand wird somit allein mittels der Präsentation eine zentrale Bedeutung zugeschrieben und es ist jedem Zuschauer überlassen, einen tiefschürfenden Sinngehalt in dieses Objekt hineinzudeuten, was, lässt man sich auf das Experiment für einen Moment ein, - erschreckend und amüsant zugleich - mühelos funktioniert.
Laut Pressemitteilung sollte “Strange“ ursprünglich ein Tanzstück mit der folgenden Beschreibung werden: Eine mystische Reise in eine eigenartige Welt, in der das Unmögliche auf das Mögliche trifft; in der Realität und Illusion ineinander übergehen ...
Doch tatsächlich wurde “Strange“ zu einem Stück, welches die Kunst hinterfragt - die Künstler, das Publikum, den Daseinsgrund der Kunst. Einfach aber ehrlich. Eine mystische Reise in die Entstehung eines "perfekten" Kunstwerks.
Erfreulicherweise drängen sich an diesem Abend - und ebenso zu den weiteren angesetzten Terminen - zahlreiche interessierte Zuschauer in das Dock 11, sodass kurz vor Aufführungsbeginn sogar einige Kissen herbeigeschafft werden müssen, damit es sich die letzten Zuschauer noch vor den bereits voll besetzten Sitzreihen einigermaßen bequem machen können.
Sie alle werden ihr Kommen nicht bereuen, wird ihnen doch ein äußerst kurzweiliger Abend beschert, in dem sich ein zeitgenössisches Tanzstück mit dem zeitgenössischen Tanz auseinandersetzt und den Produktionsprozess des Stückes selbst offenzulegen scheint. Auf höchst amüsante und selbstironische Weise erleben die Zuschauer was im Verlaufe der Stückerarbeitung erprobt und verworfen wurde, welche Ideen verfolgt und dann doch fallengelassen wurden.
Stella Zannou & Marion Sparber
Quelle: Jamesrea.de
Nach den einführenden Worten wird ein Duett, das Stella Zannou gemeinsam mit Marion Sparber tanzt und das Beziehungsthemen wie Nähe, Distanz, Zuneigung und Aggression erkennen lässt, präsentiert. Alejandro Notas lobt im Anschluss zurecht Energie, Ästhetik und Intensität des Gesehenen, um anschließend - ebenfalls zurecht - zu resümieren, dass derartige Duette bereits vielfach auf der Bühne zu sehen waren und die Berechtigung der Aufführung alleine deshalb infrage zu stellen sei. Schließlich habe sich die Choreografin daher entschlossen, diese Arbeit möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt und in einem anderen Zusammenhang zu verwerten, sie für diese Produktion jedoch nicht zu nutzen.
Quelle: Jamesrea.de
Mit einer Flut von Ideen und Anspielungen, beispielsweise auf die schwierige Finanzierung einer derartigen Produktion, stereotypische eingefahrene Vorstellungen beim Kreieren eines Bühnenbildes, die scheinbaren Gesetzmäßigkeiten einer Ensemblezusammenstellung oder die zeitliche Begrenztheit des Daseins als professioneller Tänzer, reichert Stella Zannou das schlichte aber bestechende Konzept ihrer Choreografie an. Das gesamte Stück beschäftigt sich mit der Suche nach dem Stück selbst.

Erst nach etwa einer Stunde und zahlreichen verworfenen Ideen kommt es zu der Performance eines Trios, bestehend aus Marion Sparber, Stella Zannou und Yuya Fujinami. Alles was der Zuschauer bis zu diesem Moment gesehen habe, könne er getrost aus seinem Gedächtnis streichen, denn lediglich dieses Trio habe die verantwortliche Choreografin derart überzeugen können, dass es “offiziell“ unter dem Titel “Strange“ zur Aufführung komme und die drei wunderbaren Tänzerinnen und Tänzer zeigen zum Abschluss eine unterhaltsame, amüsante, mitreißende und originelle Choreografie, bei der das Zuschauen ungeheuren Spaß macht.
Quelle: Lena Uphoff
“Strange“ ist ein unterhaltsames, kurzweiliges, kluges und mit herrlicher Selbstironie durchzogenes Stück, das mit exzellenten Tänzerinnen und Tänzern (Marion Sparber, Said Gamal Sayed Mohamed, Stella Zannou, Yuya Fujinami) und einem großartigen Begleiter durch den Abend (Alejandro Notas) aufwartet. Die perfekt abgestimmte Musik (Stefano Ciardi), die ansprechenden Videoprojektionen (Stefi Böse) und der gelungene Einsatz von Licht (Asier Solana) komplettieren den Gesamteindruck und wie sehr es zeitgenössischem Tanz gelingt, Barrieren zu überwinden, und ein weltumspannendes Publikum zu vereinen ist ohnehin großartig. Ein Abend, sollte “Strange“ zukünftig erneut zur Aufführung kommen, den man sich nicht entgehen lassen sollte.
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