Kultur

Auszeichnung jahrzehntelang nach NS-Propagandajournalist benannt

GDN - Die vom Auswärtigen Amt finanzierte "Südosteuropa-Gesellschaft" (SOG) hat mehr als zwei Jahrzehnte lang einen Journalistenpreis vergeben, der nach dem NS-Propagandajournalisten Rudolf Vogel benannt ist. Das berichtet die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung".
Vogel hatte während des Zweiten Weltkriegs nach Recherchen der F.A.S. massenhaft NS-Propaganda verfasst. Bei Akteneinsicht in mehr als einem halben Dutzend deutschen Archiven stieß die F.A.S. auf etliche antisemitische und kriegsverherrlichende Hetzartikel im Geiste der nationalsozialistischen Propaganda, die Vogel unter anderem als Kriegsberichterstatter des "Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda" verfasst hatte. Immer wieder feierte Vogel in seinen Texten Adolf Hitler als "unstreitig größten deutschen Sprecher und Redner", unter dessen Führung es "niemals wieder eine Kapitulation" geben dürfe, sondern nur "einen Kampf bis zum Sieg." Weiter schrieb Vogel: "Wir in Deutschland wissen, was dieses Land und dieses Volk unter der Führung Adolf Hitlers geworden ist, was es erreicht hat und was es noch erreichen kann. Unser Vertrauen auf (...) unseren Sieg ist ebenso unerschütterlich wie die Treue, die wir in den Führer setzen." Erst nachdem der diesjährige Preisträger sich unter Verweis auf die Vergangenheit des Namensgebers weigerte, die Auszeichnung anzunehmen, beschloss das Präsidium der SOG am Tag vor der Verleihung, den Preis in letzter Minute umzubenennen. Bei der Preisverleihung am Samstag in Bochum sagte Gernot Erler, stellvertretender Chef der SPD-Fraktion im Bundestag und Präsident der SOG, das Präsidium habe sich "gestern, aus gegebenem Anlass mit der Rudolf-Vogel-Medaille, die wir seit vielen Jahrzehnten vergeben, beschäftigt und dabei beschlossen, das künftig nicht mehr in der Verbindung mit diesem Namen zu machen, sondern ab sofort einen Journalistenpreis der Südosteuropa-Gesellschaft zu vergeben." Über die genauen Gründe sagte Erler nichts. Er wies lediglich auf eine Arbeitsgruppe hin, die untersuchen solle, "inwieweit wir uns intensiv und auch kritisch mit der Geschichte und Vorgeschichte unserer Südosteuropa-Gesellschaft beschäftigen (müssen)." Auslöser für die Distanzierung von dem Namensgeber des Preises war eine Nachfrage des in diesem Jahr für die Rudolf-Vogel-Medaille nominierten Schweizer Journalisten und Historikers Andreas Ernst, der seit Jahren für die "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ) und deren Sonntagsausgabe aus Belgrad berichtet. Ernst hatte den bereits seit sieben Jahren im Internet einsehbaren Wikipedia-Eintrag zu Vogel gelesen. Darin heißt es über Vogel, der auch Präsident der SOG war, dieser sei "ein deutscher Journalist, Politiker der CDU und Fluchthelfer für SS-Kriegsverbrecher wie Alois Brunner" gewesen. Vogel habe zudem antisemitische Propaganda verfasst und sei selbst Mitglied der SS gewesen. Während Vogel zur Zeit der Judendeportationen aus Thessaloniki tatsächlich in der Stadt stationiert war, ist seine behauptete Mitgliedschaft in der SS und seine Fluchthelferschaft für Brunner, einen der Haupttäter des Holocauts, nach Recherchen der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" vermutlich eine Falschmeldung. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes stellte sich am Samstag auf Nachfrage der F.A.S. ausdrücklich hinter die Arbeit der SOG und ihres Vorsitzenden Erler, der auch Staatsminister im Auswärtigen Amt war. Er hob hervor, dass das Amt die Gesellschaft zwar finanziere, aber keinen Einfluss auf deren Entscheidungen habe. Die SOG "wurde und wird vom Auswärtigen Amt seit vielen Jahren als Institution gefördert. Damit war nie ein Einfluss auf die Arbeit der Gesellschaft, die Entscheidungen ihrer Gremien und die von ihr verliehenen Preise verbunden", so der Sprecher, der hervorhob, dass die SOG sich "seit langem für die wissenschaftliche Beschäftigung und den politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Austausch mit Südosteuropa" engagiere.
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