Politik
Polizei räumt Standing Rock-Protestcamp
Unsere Herzen sind nicht besiegt
(Quelle: Ryan Vizzions)
GDN -
Seit Monaten haben bis zu 10.000 Demonstranten gegen den Bau der "Dakota Access Pipeline" in North Dakota protestiert und sich mit dem dort lebenden Stamm der Standing Rock-Sioux solidarisiert. Im Zuge des von Präsident Trump angeordneten Weiterbaus wurde gestern das Protestcamp geräumt.
Die letzte Nachricht, die German Daily News am gestrigen Tage, um kurz vor Mitternacht, aus dem Protestcamp in North Dakota erreichte, brachte in ihrer radikalen Kürze die herrschende Niedergeschlagenheit zum Ausdruck: “Mario - I gave up“.
Den Demonstranten wurde zuvor ein Ultimatum gesetzt, demzufolge sie bis zum gestrigen Nachmittag das Camp verlassen mussten. Dieser Aufforderung sind die allermeisten von ihnen - Arm in Arm, unter Gesängen und Trommelklängen - nachgekommen.
Den Demonstranten wurde zuvor ein Ultimatum gesetzt, demzufolge sie bis zum gestrigen Nachmittag das Camp verlassen mussten. Dieser Aufforderung sind die allermeisten von ihnen - Arm in Arm, unter Gesängen und Trommelklängen - nachgekommen.
Manche Demonstranten haben das Ultimatum zur Räumung des Protestcamps verstreichen lassen und die drohende Verhaftung in Kauf genommen, um ihren Standpunkt zu vertreten. Militarisierte Einsatzkräfte von Polizei und Nationalgarde, die sich in den Stunden zuvor auf den umliegenden Hügeln in Position gebracht hatten und mit Drohnen und Hubschraubern die Vorgänge im Camp beobachteten, führten nach Behördenangaben insgesamt zehn Menschen ab, wobei einiges darauf hindeutet, dass ihr Ziel vorrangig Journalisten waren, die versucht haben, die Vorgänge zu dokumentieren. Mindestens ein Journalist wurde bei seiner Festnahme verletzt und musste in ein Krankenhaus transportiert werden.
Vorsorglich hatte das Parlament in North Dakota im Vorfeld Eil-Gesetze verabschiedet, um den Druck auf die Demonstranten zu erhöhen. Diejenigen, die sich der Staatsgewalt widersetzen und deren Anordnungen nicht Folge leisten, können mit bis zu einem Jahr Gefängnis rechnen. Wessen Verhalten gewaltsame Proteste herbeiführt, kann gar bis zu 20 Jahren hinter Gittern landen.
Ladonna Brave Bull Allard, Angehörige des Sioux-Stammes, war eine der Aktivistinnen, die vor einem Jahr das erste Protestcamp in North Dakota gegründet haben. Sie beobachtete gestern Nachmittag von einem nahegelegenen Hügel die Vorgänge: “Sie kommen und beginnen die Menschen zu verhaften“¦ Wir werden standhalten und die Welt steht an unserer Seite. [“¦] Was passiert hier? Geschichte! Heute beobachten wir wie Geschichte geschrieben wird. Es geht dabei um viel mehr als um den Protest gegen diesen Konzern. Es geht darum wer wir sind und wer wir sein wollen. Wir stehen zusammen, wir beten und es werden gute Dinge geschehen“¦ was immer es sein wird “¦ es werden gute Dinge geschehen.“
Tausende Demonstranten hatten fast zehn Monate lang vor Ort gegen die Dakota Access Pipeline protestiert. Die Kritik richtet sich insbesondere gegen die Unterquerung des Lake Oahe, aus dem der dort lebende Stamm der Standing Rock Sioux sein Trinkwasser bezieht. Nach einem zwischenzeitlich erfolgten Baustopp durch die Obama-Administration, veranlasste der neugewählte Präsident Donald Trump per Dekret die Fertigstellung der Pipeline (GDN berichtete mehrfach, s. www.mariograss.germandailynews.com). Laut US-Medien werde mit der Fertigstellung der Pipeline und der ersten Durchleitungen von Öl ab dem 6. März gerechnet.
Auf die Ankündigung des Weiterbaus hatten Umweltschutz- und Menschenrechtsgruppen mit Kritik reagiert. Laut Amnesty International stelle Trump mit seiner Anordnung den Gewinn von ölfördernden Unternehmen über die Grundrechte von Menschen. Der Umweltforscher Michael Halpern (Union of Concerned Scientists) sagte: “Das Problem mit der Pipeline ist aus wissenschaftlicher Sicht, dass die nötigen Untersuchungen nicht durchgeführt wurden. Die Risiken können nicht eingeschätzt werden."
Der sanfte 63-jährige Tom B. K. Goldtooth vom Stamm der Navajo ist von den Entwicklungen nicht überrascht. Er hat in den vergangenen Monaten brutale Einsätze von Nationalgardisten erlebt, die mit Schlagstöcken, Pfefferspray, Gummigeschossen und scharfen Hunden gegen die Demonstranten vorgingen. “Unsere Herzen sind nicht besiegt. Die Schließung des Lagers ist nicht das Ende einer Bewegung oder eines Kampfes, es ist ein neuer Anfang. Sie können das Feuer nicht auslöschen, das hier in Standing Rock begann.“
Heute erreichte GDN eine Nachricht von jener Quelle im Camp, die gestern Nacht die eingangs zitierte Nachricht geschrieben hatte. Er habe gestern bis zum letztmöglichen Zeitpunkt versucht, die Vorgänge fotografisch zu dokumentieren, sei dann seiner Intuition gefolgt und habe das Camp verlassen. “Ich habe mehr geweint, als je in meinem Leben. Wenn ich auf die vergangenen Monate zurückblicke, erinnere ich mich an viele Höhen und Tiefen. Ich habe unter Unterkühlung gelitten, Gummigeschosse sind an meinem Kopf vorbeigeflogen und ich hatte den Geschmack von Tränengas im Mund.
Heute war kein Tag der Niederlage, sondern ein Tag des Sieges. Standing Rock hat den schlafenden Riesen der Menschlichkeit aufgeweckt. Dieses ist nur der Anfang eines größeren Ganzen. Wir haben in den vergangenen Wochen gesehen, dass die Welt unsere Rufe hört. Es geht darum, für unsere Mitbürger, die seit Jahrhunderten unterdrückt werden, einzustehen. Hier geht es um das Respektieren von Verträgen. Hier geht es um den Schutz der Erde vor der Vergewaltigung durch Profitgier. Es geht darum, MENSCH zu sein. Es geht um Liebe und Mitgefühl, Verständnis und Empathie. Es geht darum zu wissen, dass man auf der richtigen Seite der Geschichte steht.
Heute bin ich zum letzten Mal zum Heiligen Feuer (ein Lagerfeuer, das während der vergangenen Monate rund um die Uhr im Camp loderte; Anm. GDN) gegangen. Alle die hier waren tragen dieses Feuer im Herzen. Dieses Feuer wird niemals ausbrennen. Wir sind für immer entflammt! Wir werden für immer für unsere Grundsätze einstehen! Dies ist erst der Anfang!“
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