Kultur

Akademie der Künste trauert um György Konrad

Ex-Präsident verstorben

GDN - Am 13. September 2019 starb in Budapest der Schriftsteller György Konrád, geboren am 2. April 1933 in Debrecen/Ungarn und Akademie-Mitglied seit 1991 und Präsident der Akademie der Künste von 1997 bis 2003.
György Konrád überlebte den Holocaust als Kind in Budapest. Seine Romane Heimkehr (1995) und Glück (2003) erzählen davon. Im realsozialistischen Ungarn wurde er zu einer der wichtigsten intellektuellen Stimmen des dissidenten Osteuropas. Aufgrund seiner oppositionellen Position wurde Konrád 1974 kurzzeitig verhaftet und anschließend mit einem zehnjährigen Publikationsverbot belegt (1978 bis 1988).
Als Vordenker der europäischen Einheit wurde er 1991 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt. Zu seinen zahlreichen hohen Auszeichnungen zählen auch der Orden der französischen Ehrenlegion, das Große Bundesverdienstkreuz sowie der Karlspreis. Von 1990 bis 1993 war Konrád Präsident der internationalen Schriftstellervereinigung PEN. Zu seinen bekanntesten Werken zählen die Romane Der Besucher (1969) und Geisterfest (1986) sowie der Essayband Die unsichtbare Stimme (1998).
Für die wenige Jahre zuvor vereinigte Akademie der Künste war György Konrád ein Glücksfall. In den sechs Jahren seines Wirkens als Akademie-Präsident ließ er diese zu einem Ort der lebhaften Debatten über das neue europäische Denken nach dem Fall des Eisernen Vorhangs werden. Als kritischer Intellektueller in der besten Tradition der Aufklärung stritt er engagiert für die Integration der einst getrennten osteuropäischen Staaten in das neue Mitteleuropa.
Adolf Muschg, Präsident der Akademie der Künste von 2003 bis 2006, würdigt seinen Amtsvorgänger:
“1997 bis 2003 vertrat er die Akademie der Künste als Präsident - und fand dabei so viel mehr zu vertreten, als die Repräsentation einer Künstlergesellschaft vorsieht und verlangen kann. Unter den Präsidien von Walter Jens und Heiner Müller waren die Akademien in Ost- und Westberlin vereinigt worden, nolens volens nach Maßgabe der Siegerseite, wenn auch mit deutlich mehr respektvoller Gegenseitigkeit als in der politischen Landschaft, welcher zuerst eine “Treuhand“ blühte.
Um diese keineswegs nur akademische Errungenschaft der Akademie zu konsolidieren, fortbestehende Ungleichheit aufzufangen, hätte der Präsident der Wende - der Jahrhundertwende, und derjenigen einer Mentalität - kein West- oder Ostdeutscher sein dürfen, aber ein Ausländer, der die deutsche Kultur immer noch mehr liebte, als diese sich selbst. Er hätte ein sogenannter Osteuropäer sein müssen, um der siegreichen Seite die Dimension und Geschichte der anderen Seite nahezubringen, ohne sie verdeutschen zu müssen.
Er hätte - aber das war nun wirklich zu viel verlangt - ein Jude sein müssen, der nicht imstande ist, Sünden zu vergeben, weil er auch bei sich selbst solche abrufen kann, und wäre es nur die Untat der Untätigkeit. Und der darum gelernt hat, sie zu verstehen - niemals die Tat; wohl oder übel aber die Täter. Und welches Glück, dass man der Akademie einen so unwahrscheinlichen Präsidenten nicht mehr zu wünschen brauchte. Sie hat ihn wirklich gewählt und zwei Amtszeiten behalten dürfen.“
(Der Nachruf von Adolf Muschg ist in ungekürzter Fassung heute, am 16. September 2019, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen.)
György Konrád hat wenige Monate vor seinem Tod der Akademie der Künste seinen literarischen Nachlass übergeben. Es war sein Wunsch, dass sein umfangreiches literarisches Werk in Berlin verwahrt und gepflegt wird. Die Akademie bereitet eine Veranstaltung vor, in der sein Archiv präsentiert und an den kritischen Intellektuellen, überzeugten Europäer und ehemaligen Präsidenten der Künstlersozietät erinnert wird.
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