Vermischtes

Pestizidfreie Dünger sind in der Bio-Landwirtschaft unerwünscht

Man setzt lieber auf Pharmaindustrie


(Quelle: Roland Kreisel)
GDN - In der EU setzen Bauern sowie die meisten Mitgliedsstaaten, auf den künftigen ökologischen Vorrangflächen, lieber auf Agrargifte anstatt auf natürliche Dünger. Ein solcher natürlicher Dünger ist zum Beispiel Kalk, denn Kalk ist "Bio"-konform und die Verarbeitung steigert die Qualität.
Wie eine Studie deutlich gezeigt hat, haben Pestizide weltweit Ackerflächen nachhaltig beschädigt. Denn das Ökosystem der Erde wurde durch den Einsatz verschiedener Insektengifte schwer geschädigt. So geht jedes Jahr mindestens ein Prozent der weltweiten Anbauflächen durch Erosion verloren. Das Ergebnis ist klar und deutlich, Hungersnöte, sowohl für die Schwellenländer als auch für die westlichen Staaten, sind die Folge davon. So ist in den nächsten 30 bis 40 Jahren eine weltweite Lebensmittelknappheit zu erwarten. Doch durch den Einfluss von Lobbyisten ist eine Trendwende, zumindest in absehbarer Zeit, unwahrscheinlich. Auch wenn eingehendes Studium der Forschungsergebnisse des Umweltbundes zeigt, dass dies sehr wohl möglich wäre.
Der deutsche Verein “Umweltbund e.V.“ hat mit seinem open source - Projekt "Pestizidfrei" die Grundlagen für eine Landwirtschaft ohne Pestizide geschaffen und es hat funktioniert. Das Ergebnis ist eindeutig, Pestizidfreie Produktion ist ökologisch und ökonomisch realisierbar. In Österreich setzt sich vor allem Alois Kemmer für eine Pestizidfreie Landwirtschaft ein. Er ist sogar vor Gericht gezogen, doch ihm werden sehr viele Hürden in den Weg gelegt. Im Folgenden ein Interview, dass ich mit ihm führte.
Kreisel: Herr Kemmer, Sie setzen sich gerichtlich für einen grundsätzlichen Einsatz von Kalk als Düngemittel in der Bio-Landwirtschaft ein, damit Sie und andere Biobauern, diesen anstelle von hunderten gesundheitsschädlichen Pestiziden der Pharmaindustrie, in Ihrer biologischen Landwirtschaft offiziell verwenden dürfen. Was für Vorteile würde der Einsatz von Kalk für die Landwirtschaft bringen im Gegensatz zu den pharmaindustriellen Pestiziden?
Kemmer: Ich will den Kalk ja universell in seiner Eigenschaft als natürlicher Grundstoff einsetzen und nicht bloß als ein "Düngemittel". Ein Biobauer, der gelernt hat, mit Bedacht und mit Vernunft mit dem natürlichen Mineralstoff Kalk umzugehen, der wird belohnt durch gesunde Bäume und Pflanzen, die viel resistenter sind gegen Schädlinge aller Art. Und - gesunde Pflanzen brauchen keine Pestizide!
Kreisel: Nun sind ja, auch in der biologischen Landwirtschaft, Löschkalk und Branntkalk mehrfach zugelassen. Als Pflanzenschutzmittel gegen Obstbaumkrebs, um nur ein Beispiel zu nennen. Warum ist Kalk nicht auch als Bio-Düngemittel zugelassen? Was sagen Sie dazu?

Kemmer: Es ist die nicht unbegründete Angst vor Missbrauch durch übermäßigen Branntkalkeinsatz, der die Bodenlebewesen schädigen könnte - so wie dies in der konventionellen Landwirtschaft zu beobachten ist - aber um genau das zu verhindern gibt es ja die Bio-Kontrollen.
Ich habe viel Verständnis für den Grundsatz, dass die Bio-Landwirtschaft möglichst auf "externe Betriebsmittel" verzichten soll, aber dieser Grundsatz sollte doch in erster Linie für den Verzicht auf unnatürliche Industrieprodukte gelten! Es ist absurd, den Einsatz von hunderten Industrieprodukten zu erlauben, ohne vorher wenigstens den Versuch unternommen haben, die erwünschte Wirkung auch mit dem natürlichen Mineralstoff Kalk zu erzielen, dessen Düngewirkung ja ohnehin automatisch anfällt, wenn man Löschkalk nur für die erlaubten Zwecke einsetzt.
Kreisel: Warum verweigern Ihrer Meinung nach die zuständigen Politiker die “Schulung zu landwirtschaftlichen Produktionen ohne Pestizide“?

Kemmer: Weil nicht sein kann was nicht sein soll - und was sein soll, das bestimmt eben die Industrie, die ja Ihre "Mittelchen" verkaufen will.

Kreisel: Der derzeitige Landwirtschaftsminister Rupprechter bekennt sich wörtlich zu "einer Landwirtschaft, die nachhaltig und umweltbewusst bäuerlichen Familienbetrieben Einkommen ermöglicht und die österreichische Bevölkerung mit sicheren, heimischen und regional produzierten Lebensmitteln versorgt". Haben Sie mit ihm schon Kontakt aufgenommen, falls ja was ist seine Meinung zu “Kalk als Düngemittel“?
Kemmer: Ja, ich habe mit dem Herrn Landwirtschaftsminister kommuniziert und auch eine sehr interessante Antwort bekommen. Ein wörtliches Zitat aus dem Antwortschreiben:
".... das bedeutet, dass bei Bedarf den Böden auch Steinmehle und Kalk zugeführt werden können. Bisher bestand von Seiten der Biobauernorganisationen nicht das Bedürfnis Brannt- und Löschkalk in den Anhang I der EU-Bio-Verordnung Nr. 889/2008 als Düngemittel mitaufzunehmen". Vielen Dank für Ihr Schreiben und Ihre Anregungen! Ich schätze Ihren Einsatz für eine pestizidfreie biologische Landwirtschaft und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg".

Das "Bedürfnis" der Biobauernorganisationen dürfte wohl auch ziemlich stark von der Düngemittelindustrie gedämpft worden sein.
Kreisel: Wer unterstützt Sie bei Ihrem Vorhaben? Gibt es einflussreiche Persönlichkeiten die Sie bei Ihren Bemühungen unterstützen?

Kemmer: Eigentlich "nur" meine zahlreichen Freunde und Mitgestalter aus dem “nahversorgungs.net“ und ganz speziell auch aus den Tauschkreisen. Natürlich sind da bestimmt auch viele "einflussreiche"- aber garantiert sehr wenige "beeinflussbare" Persönlichkeiten darunter.

Kreisel: Welche Unterstützung würden Sie sich wünschen und vor allem von wem?

Kemmer: Ich denke es ist hoch an der Zeit, dass sich die Massenmedien dieser Angelegenheit annehmen, da würde ich Hilfe brauchen um die nötigen Kontakte herzustellen.
Kreisel: Zurück zur Gerichtsverhandlung. Ihr erster Verhandlungstag, in der Angelegenheit Kalkdünger, vor dem des Landesverwaltungsgericht Graz, war der 30 März 2014. Was ist dabei rausgekommen?

Kemmer: Eigentlich nichts! Es waren bloß drei quälende Stunden mit Zeugenvernehmungen zu absolut nicht relevanten Themen. Das sachliche Problem selbst wurde mit keinem Wort angesprochen - es standen ja auch keine Sachverständigen zur Verfügung. Wir bekamen bloß den Eindruck vermittelt, dass wir stark im Verdacht stehen, nicht wirksam genug verhindert zu haben, dass möglicherweise dieser offenbar vom Gericht als schweres Gift angesehene Kalk doch auch auf den Boden gelangt sein könnte.
Kreisel: Jetzt wird sich das Verfahren des Landesverwaltungsgerichts in Graz in die Länge ziehen, da noch mehr Zeugen geladen werden müssen. Was bedeutet das für Sie und Ihre Bemühungen?

Kemmer: Hauptsächlich entsteht dadurch für uns als Hofgemeinschaft (der auch ich selbst angehöre) ein finanzielles Problem, weil das Kostenrisiko unüberschaubar wird. Wenn wir jetzt die Berufung zurückziehen kommen wir mit Kosten von 2000 bis 3000 Euro durch. Die nächste Verhandlung wird sicher teurer werden und niemand kann garantieren dass dann wirklich Schluss ist. Wenn wir "gewinnen" dann haben wir keine Kosten zu tragen und dann gibt es auch Klarheit für alle Biobauern in ähnlicher Situation. Das wäre schon schön, kann aber nicht garantiert werden.
Kreisel: Der nächste Termin vor Gericht ist der 25. April 2014, was erwarten Sie sich von diesem Termin?

Kemmer: Ich erwarte mir ein Urteil - so oder so und natürlich bin ich davon überzeugt, dass wir im Recht sind. Mit einem Urteil erhoffe ich mir die Beseitigung einer "Grauzone" was allen Biobauern zugute kommt. Für uns selbst gibt es eigentlich nicht mehr viel zu gewinnen. Unser restliches Obst werden wir auch ohne Bio-Zertifikat verkaufen können, da kann ich zweifellos auf unser Netzwerk vertrauen und die nächste Ernte ist nicht mehr von den Sanktionen betroffen.
Kreisel: Wie geht es weiter?

Kemmer: Inzwischen hat mich aber eine Welle der Hilfsbereitschaft erreicht, die uns Mut macht, den Prozess fortzusetzen - und hoffentlich auch zu gewinnen. Momentan weiß ich bloß noch nicht, wer am Freitag am CITYPARK unsere Produkte verkauft, wenn wir alle beim Gericht antreten müssen?

Kreisel: Ich bedanke mich für dieses Interview.

Kemmer: Ich danke für die tollen Fragen und für Ihren Einsatz für diese wichtige Angelegenheit.

weitere Informationen: https://www.nahversorgungs.net

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